Orgelumbau 2019

Zwischen Januar und September 2019 wurden von der Orgelwerkstatt Scheffler (Sieversdorf) mit großem Engagement folgende Arbeiten an der Orgel der Lukas-Kirche durchgeführt:

1. Arbeiten am Gehäuse

Das Ergebnis dieser Arbeiten fällt sofort ins Auge, denn die Lukas Orgel sieht ab September 2019 anders aus als zuvor: Das Obergehäuse wurde entfernt, welches die sichtbare Pfeifenfront in sieben Felder untergliedert und nach oben kastenartig abgeschlossen hat. Auch Linienführung, die durch die unterschiedlichen Pfeifenlängen der Prospektpfeifen vorgegeben wird (also quasi die Oberkante der Pfeifenfelder), wurde durch die Neuanordnung der Pfeifen verändert, und zwar so, daß das Rundfenster in der Westwand wieder vollständig sichtbar wird. Um dies zu erreichen, mussten jedoch die drei längsten Orgelpfeifen, die bisher in der Mitte des Prospektes gestanden haben, ins Orgelinnere wandern, da für sie in der neuen Gestaltung kein Platz mehr im Prospekt war.

Die Lukas-Orgel vor dem Umbau (oben) und nach dem Umbau (unten)









2. Arbeiten an der Technik

a) Restaurierungsmaßnahmen und Reparaturen

Eine Orgel wird zwar als Musikinstrument wahrgenommen, betrachtet man sie aber unter technischen Gesichtspunkten, könnte man sie auch als recht komplizierte Maschine beschreiben. Vor allem die beweglichen Teile unterliegen natürlicherweise einem Verschleiß, so daß bestimmte Bauteile in Abständen erneuert werden müssen. Bei dem elektro-pneumatischen Traktursystem, welches für die Impulsübertragung von der Taste zum Ventil unter der Pfeife sorgt, sind dies v.a. die sogenannten "Taschen": kleine Lederbälgchen, welche die Windzufuhr in die Orgelpfeifen regeln. Erfahrungsgemäß wird das Leder nach zwanzig bis dreißig Jahren brüchig und muss erneuert werden. Etwa 2.4000 dieser Bauteile arbeiten in den Windladen der Lukas-Orgel und mussten von Hand ausgebaut und neu mit Leder bezogen werden.








Verschmutzte Ledertasche

Auch waren die Lager der Schwellwerksjalousien, die starken mechanischen Belastungen ausgesetzt sind, zum Teil ausgeschlagen, so daß die Jaluosien nicht mehr dicht schließen konnten. Darüber hinaus gab es vereinzelt Undichtigkeiten durch Rissen im Holz der Windladen, so daß Wind verloren ging. Auch diese  Defizite wurden behoben.

b) Wiederherstellung der ursprünglichen Funktionen

Beim Neubau der Orgel im Jahr 1965 wurden die Windladen der Furtwängler&Hammer-Orgel von 1919 wieder verwendet. Sämtliche ca. 3.000 Orgelpfeifen der Lukas-Orgel stehen auf diesen Windladen, deren Aufgabe es ist, den Wind unter den einzelnen Pfeifen zu verteilen und mittels der o.g. Ledertaschen zu regeln, welche Pfeife erklingen soll und welche nicht. Die alten Windladen hatten im Positiv (= 2. Manual) und im Schwellwerk (= 3. Manual) nicht nur Platz vorgesehen für all die Pfeifen, welche den Tasten im Spieltisch zugeordnet sind, sondern zusätzlich noch Platz für zwölf weitere, höhere Pfeifen. Diese konnten durch die sogenannten "Superoktavkoppeln" aktviert und spielbar gemacht werden. Dies ist eine außerordentlich nützliche Funktion bei einer Orgel, die vor allem tiefliegende Register beherbergt - diese können durch die Superoktavkoppeln eine Oktave höher erklingen und sorgen so für einen helleren Klang, falls dieser gewünscht wird. 

Da die Noeske-Orgel von 1965 nur wenige tiefliegende, aber viele hochliegende Klangfarben besaß, verzichtete man auf Superoktavkoppeln, obwohl diese in den Windladen vorgesehen waren. 

Im Rahmen der klanglichen Annäherung an die ursprüngliche, romantische Klanggebung mit ihren weichen, tiefliegenden und geheimnisvollen Klängen, ist es sinnvoll geworden, die Superoktavkoppeln wieder zu reaktivieren und dem Instrument diese Spielmöglichkeit wieder zurück zu geben.














Orgelinneres ohne Pfeifen: links der Prospekt, rechts das Schwellwerksgehäuse, mittig die Windladen von Positiv (vorn) und Hauptwerk (hinten), teilweise geöffnet

c) Sicherheit und Brandschutz

Die elektrische Anlage der 1960er Jahre entspricht nicht mehr den heutigen Normen und Brandschutzbestimmungen. Deswegen wurden die Wippmagnete, welche an der Schaltstelle zwischen dem elektrischen und dem pneumatischen Teil der Tontraktur stehen einzeln abgesichtert und mit Überspannungsschutzdioden versehen. 








Elektropneumatisches Relais

3. Arbeiten am Pfeifenwerk

Um den angestrebten, romantischen Charakter der Lukas-Orgel zu erreichen, der Klang und Raum wieder als eine organische und harmonische Einheit erleben lässt, war es notwendig, auch in der Disposition (= die Aufstellung der Register bzw. Klangfarben) Veränderungen vorzunehmen. 

Neben der Ergänzung um wichtige, typisch romantische Klangfarben wie Voix humaine 8´ (= menschliche Stimme) und Traversflöte 4´ (= Querflöte) war vor allem eine Stärkung des Klangfundamentes in den Pedalregistern dringend erforderlich: Lediglich drei 16´-Register im Pedal, die noch dazu von nur verhaltener Klangstärke waren, mussten die ca. dreißig Register der drei Manuale tragen - eine klangliche Unwucht, die ein ständiges Koppeln der Manualregister ins Pedal erforderlich machte. Dies allerdings wiederum auf Kosten der Selbstständigkeit des Pedals, was immer wieder zu klanglichen Konfliktsituationen geführt hat. 

Im Rahmen der aktuellen Maßnahmen war es nun möglich, diesem Manko durch Erweiterungen und Austausch von Registern zu begegnen. 

Neu hinzu gekommen ist eine Posaune 32´: die tiefen 12 Pfeifen wurden neu gebaut, die restlichen von der vorhandenen Posaune 16´ mit verwendet, ein materialsparendes wie auch bewährtes Verfahren im Orgelbau. Durch die Ergänzung der bisher in der Lukas-Orgel nicht vorhandenen, tiefen 32´-Tonlage, die bei den tiefsten Pfeifen bis an die untere menschliche Hörgrenze reicht, erfährt die Orgel eine Bereicherung, die vor allem bei grandiosen Höhepunkten von im wahrsten Sinne des Wortes erschütternder Wirkung ist.

Einbau der Posaune 32´

Weiterhin wurden im Pedal folgende Register verändert:

  • Die Quinte 5 1/3´ wurde zu einem Quintbass 10 2/3´ erweitert.
  • Der Hintersatz 4´ wurde durch einen Kontrabass 16´ ersetzt.
  • Die Rohrpfeife 4´ wurde durch einen Violon 8´ ersetzt.

Dadurch ist nun die Bassfunktion und die Selbständigkeit des Pedals gewährleistet und sind die Klangverhältnisse zwischen Pedal und Manual auf eine solide und tragfähige Grundlage gestellt.

Im Positiv konnte ein großer Gewinn erzielt werden durch den Austausch der klanglich unbefriedigenden Cromorne 8´ durch ein Horn 8´. Hierbei handelt es sich um ein historisches Register aus einer englischen Orgel. Trotz des Namens "Horn" handelt es sich der Bauform nach um ein Register aus der Trompetenfamilie, jedoch von wärmerem und grundtönigerem Klang, als dies bei Trompetenregistern üblicherweise der Fall ist. Die Orgel der Lukas-Kirche verfügt nun über drei Trompetenregister: eines in deutscher Bauart (im Hauptwerk), eines in englischer Bauart (im Positiv) und eines in französischer Bauart (im Schwellwerk).

4. Reinigung der ganze Orgel

Auch eine Orgel ist vor Verschmutzung nicht gefeit: im Lauf der Jahre lagern sich Staub, Kerzenruß, tote Insekten u.a. in der Orgel ab. Ab einem gewissen Verschmutzungsgrad beginnen diese, das Funktionieren der fein austarierten Orgeltechnik und der Klangerzeugung zu stören: die feinen Kernspalten der Orgelpfeifen setzten sich mit Schmutz zu und die Pfeife kann nicht mehr richtig ansprechen, Kontaktstellen der elektrischen Anlage oxydieren, so daß die Impulsübertragung der Trakturen nicht mehr zuverlässig funktioniert, etc... . Deshalb muss eine Orgel je nach dem, wieviel Schmutz anfällt, im Schnitt alle 15-20 Jahre sorgfältig gereinigt werden. Hierfür ist es erforderlich, das Instrument komplett zu zerlegen, damit die Orgelbauer Zugang zu allen Teilen der Orgel bekommen. Jede einzelne der ca. 3.000 Orgelpfeifen wird dabei in die Hand genommen, gereinigt, ggf. kleinere Beschädigungen behoben, wieder an ihren Platz gestellt und wieder neu gestimmt. Alle Bereiche der Orgel werden gesaugt und ggf. leicht feucht gewischt.














Reinigung des Orgelinneren

Ab Oktober 2019 erklingt die überarbeitete Lukas-Orgel in der neuen Konzertreihe ORGEL to go!

Jeden Mittwoch von 19-19.30 Uhr